GEDANKEN
Zur Kunst
"Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“
(Pablo Picasso, Dezember 1937)
... diesem Ansatz fühle ich mich als Künstler und Mensch immer noch verpflichtet!
Pazifismus
In der Folge des Natodoppelbeschlusses im Jahr 1979 entschied ich mich als Klassenlehrer, zusammen mit meinen Schülern während der Unterrichtszeit vor dem Spandauer Rathaus gegen diesen Beschluss zu demonstrieren. Dieses Handeln brachte mir einen Termin beim Schulrat und eine Rüge samt Eintrag in meine Personalakte ein. Ich habe diesen Aktenvermerk mein Leben lang als eine Auszeichung verstanden.
Seit dem putinschen Angriffskrieg auf die Ukraine ist mir die Klarheit und Leichtigkeit dieser Entscheidung abhanden gekommen und ich bin ins Grübeln geraten. Ist meine pazifistische Grundhaltung eigentlich noch zeitgemäß?
KI
Anfang der 70er Jahre bekam ich Bücher des polnischen Schriftstellers Stanislav Lem zu lesen. Eine seiner Geschichten faszinierte mich besonders: "Die lymphatersche Formel". Kurz gesagt ging es hierbei um einen Wissenschaftler, der aus seinem Forscher- und Erkenntnisdrang heraus eine Mensch-Maschine entwickelte und ihr dabei zusah, wie sie einem Perpetuum Mobile gleich an "Intelligenz" zugewann und - da sie sie als Maschine unsterblich war - sich permanent weiter entwickeln konnte. Im Gegenatz dazu sah der Wissenschaftler den Menschen, dessen Wissen und Verstand nicht "genetisch" vererbbar ist und mit dem Tod verloren geht, als Sackgasse der Evolution. Seine anfängliche Freude und Begeisterung wandelte sich aber zusehends in Angst und schließlich Wahn, weil seine Mensch-Maschine in immer schnelleren Zyklen dazulernte und bald an ihre Grenzen stieß: sie fand keine Probleme mehr, die sie reflektieren und lösen konnte, letztlich also im maschinellen Wahnsinn zu enden drohte und den Menschen, seinen Schöpfer, in letzter Konsequenz für überflüssig erklärte.
Lem hat diese Geschichte vor rund 50 Jahren geschrieben und ich ziehe wieder einmal den Hut vor diesem weitsichtigen Mann angesichte der gegenwärtigen Debatte um die Chancen und Risiken der sogenannten "Künstlichen Intelligenz", der aus meiner Sicht ein entscheidender Faktor als Kontrollmechanismus fehlt: die Empathie!
Überhaupt wünschte ich mir eine besser verteilte allgemeine Intelligenz über den gesamten Erdball hinweg, vielleicht hätten wir dann einige Konflikte weniger in der Welt!
Selbstoptimierung
Vor einiger Zeit traf ich mit einem jungen Mann zusammen, Mitte 20, Student und im Laufe des Treffens sprach er von einer "Definition" seiner selbst. Zunächst war ich erstaunt über so viel Abgeklärtheit in seinem jungen Alter, bis ich verstand: er sprach von seiner Zielsetzung im Fitness-Studio, definiert werden sollte sein Körper, bzw. seine Muskulatur.
Die Ernücherung meinerseits war entsprechend groß und ich versuchte mich zu erinnern, was mich in seinem Alter Mitte des Studiums in Berlin so umgetrieben hatte. Auch da war von Definition die Rede gewesen, aber gemeint war die politische Rolle des Individuums in der Gesellschaft, in letzter Konsequenz also weniger die Frage nach dem "Ich" als nach dem "Wir", nicht der Körper stand im Vordergrund sondern der Geist.
Wäre es nur dieser junge Mann, der solchen Intentionen folgt, müsste ich mir keine Gedanken machen, aber leider reiht er sich ein in eine illustre Schar von Menschen, die - angetrieben von dem Drang nach Selbstoptimierung - nur noch sich selbst im Focus haben. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: als Sinnbild für diese Unsitte steht für mich die Flut der mit den eigenen Handies produzierten "Selfies", die in den medialen Kanälen so kursieren. Sie sind an Oberflächlichkeit kaum noch zu überbieten.
Als ich 2012 meine beiden großen Selbstbildnisse gemalt hatte, stand ich für jedes einzelne Bild tagelang vor der Leinwand, habe mein "Ich" versucht zu erforschen, zu ergründen, mit welchem Gesichtsausdruck ich die beiden Seelen in meiner Brust am klarsten und eindutigsten widerspiegeln könne.
Von derlei Antrieb sind die "Selbstoptimierer" leider weit entfernt. Was mich tröstet ist die Vergänglichkeit solcher Selfies. Manche sind schon einen Tag später wieder aus der Medienwelt verschwunden!
Zum Glück!
Horst Janssen
Kurz vor Weihnachten führte mich mein Weg nach Oldenburg. Im dortigen Horst-Janssen-Museum wurde eine Ausstellung mit dem Titel "Love is a Battlefield" gezeigt, die sich mit der Frage auseinandersetzte, wie weit der Teil an Janssens Gesamtwerk, den man als "erotisch" bezeichnen könnte, auch mit heutigem Blick noch so gesehen werden kann.
Ich war besonders neugierig auf diese Ausstellung, denn ich teile mit Janssen die Leidenschaft für die Radierung. Schon in meinen Studienjahren in Berlin hatte mich sein Strich und die Dynamik in seinen Arbeiten fasziniert.
Wer sich schon einmal mit Janssens Lebensweg beschäftigt hat weiß, dass er - in schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen - schon zu Beginn zum "enfant terrible" der spießbürgerlichen deutschen Nachkriegsgesellschaft wurde und seine Arbeit als "unsittlich" galt, was Janssen eher anzustacheln schien. Die Einstellung zu seiner erotischen Kunst sollte sich mit den späten 60er Jahren und der sogenannten "sexuellen Revolution" deutlich wandeln, waren seine offen sexuellen Bildthemen plötzlich en vogue. Und heute? In Zeiten von "Mee too" wirken manche seiner Arbeiten in Auswahl und Umsetzung der Bildthemen eher fragwürdig, manches auch inakzeptabel.
Geblieben ist die Bewunderung seiner technischen Fertigkeit und so stehe ich heute vor seinen Bildern recht zwiegespalten und muss erkennen, dass ich sein Werk nur losgelöst von seiner Persönlichkeit würdigen kann. Der Mann konnte zeichnen wie kaum ein anderer und er hat nicht davor halt gemacht, sich selbst in all seiner "Häßlichkeit" - die er als Alkoholiker und Choleriker durchaus verkörperte - darzustellen, ja fast zu entblößen, aber dem Teil seiner Kunst mit mehr oder weniger sexuellem Kontext kann ich heute nur gerecht werden, wenn ich mir die zeitlichen Bezüge immer deutlich vor Augen führe. Der Versuch, sich mit der Erklärung: "...die Welt war damals halt so ..." zu beruhigen, macht sein Frauenbild von damals nicht besser.
So bin ich mit sehr gemischten Gefühlen wieder nach Hause gefahren .... und habe mir die Woche darauf zwei seiner Selbstbildnisse als Reproduktion an die Wand gehängt!
Zeichnen konnte er wie der Teufel ... ich wünschte, ich könnte so zeichnen wie er!
Gegen rechts
Seit einer Woche nun füllen sich Plätze und Straßen Deutschlands im Protest gegen rechtes Gedankengut. Die immer wieder beschworene "Mitte der Gesellschaft" steht auf, lautstark und zahlreich. Das ist gut so, .... aber reicht das aus, um dieses ekelhafte, rückwärts gewandte und spalterische Denken und Handeln zu überwinden?
Nein!
Ich hege großen Zweifel, ob sich dadurch grundsätzlich etwas verändert. Die Frage muss doch sein: weshalb laufen so viele Menschen / Wähler den offensichtlich populistischen Parolen der AfD hinterher? Bei genauem Hinschauen kann ich nichts erkennen, was diese Partei aus eigener Initiative heraus vorantreibt. Sie nutzt nur die Schwächen derjenigen, die aktuell den Volkeswillen vertreten sollen, unmittelbar aus und treibt sie manchmal regelrecht vor sich her. Und sie haben derzeit scheinbar leichtes Spiel, denn die aktuelle Bundesregiereung ist mehr mit internen Querelen und Standortkämpfen beschäftigt als mit der Suche nach Lösungen für die anstehenden Probleme. Und der Rest der Opposition zerlegt sich entweder selbst oder ist dermaßen machtversessen, dass ich mich manchmal ernsthaft frage: " Ist der Wille zur Macht, der eines der Merkmale einer politischen Partei ausmacht, zum Selbstzweck verkommen"? Verstehen sich die gewählten Abgeordneten eigentlich als das, was sie laut Verfassung sind: "Volksvertreter"? Wieviel Sinn macht es, der Regierung Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wenn am Ende des Tages der politische Nutznießer ganz rechts außen sitzt? Wenn ich einen als gefährlich eingeschätzten Gegner mit rechtsstaatlichen Mitteln in die Schranken weisen will, wäre es vielleicht klug, die eigene Machtgeilheit etwas zu zügeln und den Schulterschluss mit den verbliebenen demokratischen Kräften zu suchen. Das vermisse ich derzeit in Deutschland!
Unsere gegenwärtige Weltsituation verlangt Entscheidungen, die weh tun, die Opfer verlangen - von uns allen - und die vermutlich nicht ganz kompatibel sind mit dem Streben nach Besitzstandswahrung. Ich weiß: mit unpopulären Entscheidungen macht man sich keine Freunde, aber wenn es gelingt, die Notwendigkeit dieser Maßnahmen schlüssig zu kommunizieren und so das "Wahlvolk" mitzunehmen, habe ich wenigstens noch einen Funken Hoffnung, dass wir nicht schon am Ende des demokratischen Zeitalters angelangt sind.
Vegane Sporttaschen
Heute zeigte mir meine Frau eine Internetanzeige zu "veganen Sporttaschen" bei Instagram.
Vegane Sporttaschen, echt jetzt? Ich konnte es zunächst gar nicht glauben. Ich will die Dinger doch nicht essen! Aber Spaß bei Seite: mit welchem Unsinn will man uns denn noch konfrontieren? Ich fühle mich langsam wirklich belästigt von all den gehypten Befindlichkeiten dieser Gesellschaft. Da wird auf Teufel komm heraus alles durchgegendert, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Hat sich damit die Stellung der Frauen in diesem Land wirklich signifikant geändert? Ich habe da meine Zweifel. Mir klingen noch die Ohren von einem Fernsehbeitrag vor einigen Monaten, wo junge Männer nach ihrem Rollenverständnis in ihrer zukünftigen Familie gefragt wurden und nicht wenige dieser Kerle maßten sich an, sich selbst als den "Patriarchen" in dieser Konstellation zu definieren und die Frau mit der Kindererziehung zu betrauen ... nebst Haushaltsführung, versteht sich. Da wird das Rad der Geschichte einfach mal eben so um 50 Jahre zurück gedreht.
Haben wir nicht wirklich wichtigere Probleme zu lösen als vegane Mainstreamprodukte? Was ist mit den statistisch erhobenen 440.000 Wohnungslosen, von denen geschätzt 50.000 tatsächlich "auf der Platte leben". Wie können wir verhindern - oder zumindest spürbar verringern, dass Menschen, aus welchen Gründen auch immer, dermaßen aus der Bahn geraten, dass sie alles verlieren: Arbeit, Frau, Kinder und ihr Zuhause.... und in der Folge auch noch ihre Würde? Was muss sich ändern, damit unsere Kleinsten im Kindergarten eine gesicherte Betreuung erhalten, damit Mama und Papa arbeiten gehen können, was muss sich ändern, damit diese Kinder, wenn sie dann in die Schule kommen, genügend gut ausgebildete Lehrer (und natürlich auch Lehrerinnen) vorfinden, die sie in bestmöglich ausgerüsteten Schulen mit sauberen Toiletten und benutzbaren Sporthallen auf ihr zukünftiges Leben vorbereiten können? Diese Kinder werden die zukünftige Träger unserer Gesellschaft sein, ihr Hirnschmalz muss unsere fehlenden Bodenschätze ersetzen, um in der Konkurrenz dieser Welt bestehen zu können.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Klimawandel, Friedenserziehung, Infrastruktur, sterbende Innenstädte ...
Und der Wirtschaft fällt nichts weiter ein als uns die Vorzüge "veganer Sporttaschen" anzupreisen? Da könnte man doch glatt in selbige reinbeißen vor Zorn .... und dann wäre die vegane Tasche vielleicht sogar von Vorteil!
THEMEN
"Wählen ist Privatsache!"
Auf diese Aussage stieß ich bei der Lektüre eines Artikels in der ZEIT vom 14. August 2024, der sich mit dem Phänomen beschäftigte, dass ein kleiner Ort in Thüringen, dessen parteiloser Bürgermeister den Ort als "wundervoll" bezeichnete, in dessen Gemeinderat keine Vertreter der deutschen Parteienlandschaft saßen, sondern allenfalls Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, der Tourismusbranche oder andere engagierte Bürger, .... aber dessen Stimmenanteil für die AfD bei der letzten Europawahl bei 48% lag. Wie geht das zusammen, danach wurde von der ZEIT im Ort recherchiert und man traf auf große Einsilbigkeit und als Erklärung dafür fiel dann die genannte Aussage:"Wählen ist Privatsache!"
Schon beim ersten Lesen verspürte ich einen spontanen Widerstandsimpuls, der sich mit der anschließenden Reflektion manifestierte. Hinsichtlich des bundesdeutschen Wahlrechts im Sinne einer freien und geheimen Wahl mag diese Aussage zutreffen, aber darum ging es doch gar nicht. Vielmehr stand im Raum, dass niemand für sein Tun (Wählen) verantwortlich gemacht werden wollte, ... Privatsache eben!
Aber der Wahlschein ist eben nun mal kein Lottoschein, der, sofern ich die Kreuzchen am richtigen Ort mache, das Füllhorn über mir ausschüttet und all jene, die eben falsch angekreuzt haben, leer ausgehen. Mit meinem Kreuz auf dem Wahlschein trage ich Verantwortung für die Konsequenzen, die sich aus dieser meiner Entscheidung ergeben, zusammen mit allen Wahlberechtigten dieses Landes, - übrigens auch für die, die nicht wählen durften, gleich ob zu jung oder kein Staatsbürger!
Irgendwie erinnert mich diese Haltung in Thüringen verdächtig an "Erklärungsversuche" der Menschen, die 1933 mit viel Gebrüll und 43,9% Wählerstimmen den Faschisten hinterher gelaufen waren und als alles in Trümmern lag, keine Verantwortung dafür übernehmen wollten.
Wiederholt sich hier die Geschichte ... wundern würde es mich nicht!